Seit dem 30. März 2020 sind in Nordrhein-Westfalen die Einrichtungen zur Betreuung von Kindern oder Schulen weitgehend geschlossen bzw. nur für etwaige Notbetreuungen der Kinder eingeschränkt geöffnet. Soweit die Sorgeberechtigten für ihre Kinder keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit finden, können sie die Kinder selbst betreuen und erhalten unter bestimmten Voraussetzungen eine staatliche Entschädigung.

I. Entschädigungsleistungen nach § 56 Abs. 1a IfSG

Nach § 56 Abs. 1a IfSG können erwerbstätige Sorgeberechtigte von Kindern, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder behindert und auf Hilfe angewiesen sind, eine Entschädigung in Geld erhalten, wenn sie die Kinder in diesem Zeitraum selbst betreuen und keine anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit sicherstellen können und dadurch einen Verdienstausfall erleiden.

II. Sechswöchige Vorleistungspflicht des Arbeitgebers (§ 56 Abs. 5 IfSG)

Nach § 56 Abs. 5 IfSG hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die ausgezahlten Beträge werden sodann dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Im Übrigen wird den Arbeitnehmern die Entschädigung von der zuständigen Behörde auf Antrag gewährt.
In Bezug auf die arbeitgeberseitige Vorleistungspflicht stellt sich die Frage, welche Rechtswirkungen nach Ablauf von sechs Wochen eintreten.

Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen (§ 56 Abs. 5 IfSG). Für den Fall, dass die maximale Anspruchsdauer noch nicht ausgeschöpft wurde, sind die Entschädigungsleistungen im Anschluss an diesen Zeitraum von den Behörden auf Antrag des Arbeitnehmers weiter zu gewähren (§ 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG). Der 6-Wochen-Zeitraum nach § 56 Abs. 5 IfSG, d. h. der Zeitraum, in dem der Arbeitgeber als Auszahlstelle fungiert und für die Auszahlung zuständig ist, läuft grundsätzlich ab dem Zeitpunkt, von dem an die Voraussetzungen für die Gewährung der Entschädigung erfüllt sind (vgl. Erdle, IfSG, 7. Aufl. 2020, § 56 Rn. 6).

Stellt man auf das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 56 Abs. 1a IfSG ab, begann der Zeitraum am 30. März 2020, d. h. dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Regelung. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kitas und Schulen bereits aufgrund der länderrechtlichen Anordnungen geschlossen und die Voraussetzungen des Anspruchs damit grundsätzlich erfüllt. Ab diesem Zeitpunkt konnten damit auch die Entschädigungsleistungen beansprucht werden. Folgt man dieser Sichtweise, endet der Zeitraum für die vom Arbeitgeber zu erfüllende Vorleistungspflicht des Arbeitgebers damit am Montag, dem 11. Mai 2020, zugleich dann auch die Pflicht des Arbeitgebers als „Auszahlstelle“.
Der Arbeitgeber hat die Entschädigung allerdings nur innerhalb dieses Zeitraums für diejenigen Tage zu leisten, bei denen eine anderweitige Betreuung unzumutbar war, d. h. der Anspruch auch tatsächlich bestand. Besteht der Anspruch nach § 56 Abs. 1a IfSG über diesen Zeitraum hinaus, z. B. bei „Anspruchspausen“ wegen Ferienzeiten oder wechselseitiger Betreuung, verlängern diese Zeiten den 6-Wochen-Zeitraum nach § 56 Abs. 5 IfSG u. E. nicht. Der Anspruch ist dann von der Behörde weiter auszuzahlen. Hierfür spricht insbesondere, dass der Anspruch als solcher in § 56 Abs. 1a IfSG geregelt ist.

III. Ende der arbeitgeberseitigen Vorleistungspflicht

Anträge auf Entschädigung können digital an die zuständige Behörde im jeweiligen Land (NRW: Landschaftsverbände) übermittelt werden. Das Verfahren gilt sowohl für Entschädigungen bei Schul- und Kitaschließungen (§ 56 Abs. 1a IfSG) als auch bei Anordnungen von Quarantäne oder Tätigkeitsverboten (§ 56 Abs. 1 IfSG).

Die Anträge sind nur über den folgenden Link zu stellen: www.ifsg-online.de

In dem Antragsformular auf Erstattung nach § 56 Abs. 1a IfSG wird von einer tageweisen Berechnung ausgegangen. Der Arbeitgeber hat danach als Antragsteller alle Tage, für die ein Entschädigungsanspruch besteht, anzukreuzen.

Es spricht deshalb vieles dafür, dass individuelle Entschädigungsansprüche der Arbeitnehmer wegen Schul- und Kitaschließungen auch für einen längeren Zeitraum als bis zu sechs Wochen ab Inkrafttreten des Gesetzes am 30. März 2020 beantragt werden können, also über den 11. Mai 2020 hinaus. Gleichwohl ist es trotz dieser vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) vorgenommenen tageweisen Berechnung nicht auszuschließen, dass der Arbeitgeber gemäß § 56 Abs. 5 IfSG längstens für sechs Wochen, also nur bis einschließlich zum 11. Mai 2020, als Zahlstelle fungieren müsste.
 
Allerdings ist diese Rechtsfrage noch nicht abschließend geklärt. Derzeit wird in den einzelnen Bundesländern abgestimmt, ob die Arbeitgeber auch über den 11. Mai 2020 hinaus als Auszahlungsstelle für Entschädigungsansprüche nach § 56 Abs. 1a IfSG fungieren können bzw. müssen. Wird diese Frage bejaht, kann die Vorab-Auszahlung der Entschädigung auch nach dem 12. Mai 2020 durch die Arbeitgeber erfolgen. Diese könnten sich dann im Wege des o. g. Antragsverfahrens die an die Arbeitnehmer geleisteten Zahlungen von der zuständigen Behörde erstatten lassen können.

Bis zur endgültigen Klärung dieser Frage empfehlen wir den Mitgliedsunternehmen, etwaige Vorauszahlungen nach § 56 Abs. 1a IfSG ab dem 12. Mai 2020 an die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer nur noch unter dem Vorbehalt auszuzahlen, dass die Arbeitgeber über den 11. Mai 2020 hinaus noch zur Vorauszahlung der Entschädigung gem. § 56 Abs. 1a IfSG verpflichtet sind.

Dieser Vorbehalt sollte den betroffenen Arbeitnehmern möglichst kurzfristig, also bestenfalls noch am Montag, den 11. Mai 2020, über die üblichen Kommunikationswege der Unternehmen mitgeteilt werden (Intranet bzw. „Schwarzes Brett“ im Betrieb, über die private E-Mail-Adresse – sofern bekannt –, oder per Serienbrief an die betroffenen Mitarbeiter).

Ebenso sollten die Mitgliedsunternehmen den Vorbehalt auf der für Mai 2020 zu erteilenden Entgeltabrechnung ausweisen.

https://www.unternehmer.nrw/