Der Einzelhandel ist in Nordrhein-Westfalen der drittgrößte Wirtschaftszweig und ein verlässlicher Job-Motor. Der Handelsverband NRW vertritt als Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband die Interessen von mehr als 100.000 Einzelhandelsbetrieben jeglicher Unternehmensform und -größe, die im Jahr rund 100 Milliarden Euro Umsatz und damit gut ein Viertel des gesamten deutschen Einzelhandelsumsatzes erwirtschaften. Mit mehr als 750.000 Beschäftigten und Auszubildenden ist der Einzelhandel in NRW darüber hinaus einer der wichtigsten Arbeitgeber und Nachwuchsförderer: Jeder zehnte Arbeitsplatz im einwohnerstärksten Bundesland wird durch die Branche zur Verfügung gestellt.
Der Erfolg der Handelsbranche hängt nicht nur vom wirtschaftlichen Geschick der Unternehmer und den Kaufentscheidungen der Verbraucher ab. Zahlreiche Faktoren beeinflussen den Alltag im Einzelhandel – von der Erreichbarkeit der Innenstädte und dem Ladenöffnungsgesetz über die Digitalisierung bis hin zur Ausbildung und Fachkräftesicherung. Faktoren, auf die die Landespolitik durch ihre Gesetzgebung maßgeblichen Einfluss nehmen kann.
Frage 1:
Der Handel leistet durch Sicherung von Wachstum & Wohlstand einen wertvollen Beitrag zur Lebensqualität, ist aber im Wandel. Um ihn zu bewältigen, braucht es geeignete Rahmenbedingungen. Für Handel & Kommunen sind attraktive, erreichbare & sichere Zentren essenziell. Wie stellen Sie dies sicher?
Zunächst werden wir mit gezielten Maßnahmen den besonders von Corona gebeutelten Betrieben, wie dem stationären Einzelhandel, Gastgewerbe etc. Anschubimpulse geben, damit diese neu durchstarten zu können. Zudem werden wir ein strategisches digitales Leerstandskataster an die Stelle punktueller Einzelfallbetrachtungen setzen und so Datenbanken für aktives Ansiedlungsmanagement für Handelsflächen etablieren. Wir werden unsere in Deutschland bislang einzigartige Innenstadtoffensive konsequent um- und fortsetzen. In den vergangenen Jahren haben wir dafür erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt und werden dies auch in Zukunft gewährleisten. Des Weiteren werden wir die Möglichkeiten der Nutzungsänderungen erleichtern und fördern die Stadt der Zukunft mit Handel in den Zentren. Dazu unterstützen wir die Kommunen passgenaue Konzepte für ihre Stadt zu entwickeln.
Wir wollen Stadtmitte und Dorfzentrum wiederbeleben und zu echten Erlebnis- und Begegnungsräumen der Bürgerschaft machen. Wir wollen Treffpunkte mit hoher Aufenthaltsqualität und einem Mischnutzen. In der „neuen Mitte“ findet alles organisch zueinander, der Handel, das Wohnen, die Gastronomie und die Kultur. Grünflächen sollen aufgewertet werden. Aufgabe der Städtebauförderung ist es, qualitativ hochwertige und funktionale öffentliche Räume für alle Altersgruppen zu schaffen. Dafür vereinfachen wir das Bau- und Planungsrecht weiter: Bei Baumaßnahmen im Bestand von der Kernsanierung über die Aufstockung bis zum Abriss samt Neubau müssen noch einfachere Bestimmungen gelten als bisher. Gerade die Zentren sind von den Folgen der Pandemie besonders betroffen. Mit einer weiteren Innenstadtoffensive werden wir Pilotprojekte zur Zwischennutzung wie etwa Popup-Stores und Showrooms fördern. Zudem werden wir den analogen Einzelhandel weiter dabei unterstützen, ein eigenes digitales Angebot zu schaffen; weitere Digital-Coaches sollen die jeweiligen Geschäfte passgenau und kostenlos beraten.
Wir befähigen Kommunen, ihre Ortskerne und Stadtmitten zu einzigartigen Orten mit Anziehungskraft zu gestalten. Ziel ist es durchmischte Zentren mit verschiedensten Nutzungen und hoher Aufenthaltsqualität mit grüner und blauer Infrastruktur zu schaffen, die mit allen Verkehrsmitteln gut erreichbar sind. Mit einem Fonds stellen wir finanzielle Mittel bereit, damit Kommunen langfristig ihren Gestaltungsspielraum sichern können. Mit einem neuen Landeswettbewerb zeichnen wir kommunale Konzepte und Strategien aus. Wichtig ist, dass bei der Transformation der Zentren die
Jahrhundertherausforderungen bewältigt werden: Klimaschutz, Digitalisierung und die Mobilitätswende.
Wir unterstützen den Handel als wichtiges Element zur Belebung der städtischen Räume, für kompetente Beratung und als Arbeitgeber. Staatliche Aufgabe, in der das Land die Kommunen unterstützt, ist die Bereitstellung der nötigen Infrastruktur für eine gute öffentliche Verkehrsanbindung und Anlieferungsmöglichkeiten, städtebauliche Akzente in den Zentren zur Steigerung der Aufenthaltsqualität und eine flächendeckende sehr gute Internet- und Mobilfunkanbindung.
Frage 2:
Was sind attraktive Frequenzbringer für die Innenstadt? Was muss ein Zentrum bieten, um für die Bürger Aufenthaltsqualität zu haben? Wie willkommen bin ich (als Pendler und Besucher) in einer Stadt, wie steht es mit Sauberkeit, Erreichbarkeit, der Infrastruktur, oder auch der Sicherheit?
Unser Ziel sind lebendige Innenstädte. In der Corona-Pandemie ist es uns gelungen, die Innenstädte mit verschiedenen Maßnahmenpaketen zu stabilisieren. Diese werden wir weiterentwickeln. Wir werden die Kommunen dabei unterstützen, passgenaue Konzepte zur Entwicklung der Innenstädte aufzulegen. Ein Schwerpunkt wird dabei sein, sogenannte Frequenzbringer in den Städten zu haben. Die von uns neu geschaffenen Freiheiten der Bauordnung (Innovationsklausel) werden wir für die Innenstädte nutzen und das Thema Umnutzung auf der Agenda halten. Professionelles Ansiedlungs- und Leerstandsmanagement, auch in Stadtteilzentren, muss koordiniert werden. Die über die Landesinitiative „Zukunft. Innenstadt. Nordrhein-Westfalen“ etablierten „Zukunftsmanagerinnen und Zukunftsmanager“ für die Innenstädte wollen wir dauerhaft verfestigen. Zudem wollen wir hybride Handelskonzepte sowie gemischt genutzte Innenstädte unterstützen, indem wir neue Formen der Nutzung fördern und die Ansiedlung solcher Modelle unterstützen.
Der Einzelhandel soll der größte Frequenzbringer der Städte bleiben. Wir wollen generell frequenzbringenden Formaten die Ansiedlung erleichtern. Die Ansiedlung von Lebensmittelmärkten in Stadtzentren kann hierbei einen wichtigen Beitrag leisten. Dafür müssen Flächen mobilisiert werden. Wir setzen uns weiter dafür ein, dass dauerhaft funktionierende LEH-Ansiedlungen möglich gemacht werden können und das Planungsrecht dafür entsprechend flexibilisiert wird. Das Herz unserer Städte und Dörfer soll wie ein zweites Wohnzimmer sein, in dem wir uns rundum wohl fühlen. Wir wollen Treffpunkte mit hoher Aufenthaltsqualität und einem Mischnutzen. In der „neuen Mitte“ findet alles organisch zueinander, der Handel, das Wohnen, die Gastronomie und die Kultur. Grünflächen sollen aufgewertet werden.
Die Vernachlässigung einzelner Stadtgebiete wirkt sich auf die Kriminalitätsentwicklung und somit auch auf das Sicherheitsgefühl der Menschen aus. Ein wirksames Mittel, um dabei Kräfte zu bündeln, sind die sogenannten Ordnungspartnerschaften, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern von Polizei und Ordnungsamt. Wir wollen diese Partnerschaften stärken und flächendeckend ausweiten, um die kommunale Sicherheit zu stärken.
Jedes Zentrum muss ein unverwechselbares Profil haben. Der Handel ist und bleibt ein maßgeblicher Frequenzbringer. Städte sind besonders resilient, wenn sie sich durch Nutzungsmischung kennzeichnen: Neue Nutzungen, mehr Kunst und Kultur, Kreativität und ein stetiger Wandel (z. B. durch Start-ups, Pop-ups und Aktionen) locken Besucher*innen in die Zentren. Durch Bildungseinrichtungen schaffen wir gebundene Frequenz. Konsumfreie Orte laden zum Verweilen ein und bieten eine hohe Aufenthaltsqualität. Hacker- und Maker-Spaces fördern neue Formen des bürgerschaftlichen Engagements und der Zusammenarbeit. Wir entwickeln attraktive Plätze und fördern den Ausbau grüner und blauer Infrastruktur, Umnutzung und Verdichtung sowie partizipative Prozesse und Initiativen aus der Zivilgesellschaft
Pulsierende Innenstädte sind das Herz einer Stadt oder eines Stadtteils. Sie bringen Leben, Innovation, Frequenz, florierende Wirtschaft und Attraktivität mit sich. Umgekehrt ist der Zusammenhang ebenso offenbar. Die Bereiche smart city sowie der share economy sind geeignet, hilfreiche Impulse für unsere Innenstädte zu geben. Lebendige Innenstädte sind mehr als nur die Summe von frequentierten Ladenlokalen zu Konsumzwecken. Innenstädte sind das Sinnbild für eine vitale Stadt. Innenstädte verkörpern die Attraktivität und die Lebensqualität der gesamten Stadt, des gesamten Stadtteils. Sie sind Treffpunkt und Marktplatz und damit auch Kommunikationsplattform. Um Innenstädte attraktiv zu halten, braucht es attraktiven Einzelhandel, der wiederum auf ein attraktives Umfeld angewiesen ist. Dabei sind Städtebau, Sicherheit und Sauberkeit sowie Erreichbarkeit für die Kundschaft durch die Städte und Gemeinden zu gewährleisten.
Frage 3:
Schon vor Corona befand sich der Handel im rasanten Wandel. Leerstände nehmen zu, Passanten-Frequenzen ab. Welche Maßnahmen planen Sie, um den von der Coronakrise gebeutelten Handel zu unterstützen, sich ggf. neu und nachhaltiger aufzustellen und wie die Innenstädte wieder attraktiv zu gestalten?
Siehe Antworten zu Frage 1 und Frage 2.
Der Einzelhandel ist nach wie vor prägend für das Bild unserer Städte und ein Anker für die lokale Wertschöpfung. Damit der traditionelle Handel im Wettbewerb mit den großen Digitalplattformen bestehen kann, wollen wir uns für die Flexibilisierung und Entbürokratisierung städtebaurechtlicher und verwaltungstechnischer Vorgaben einsetzen. Außerdem werden wir den Einzelhandel dabei unterstützen, die Transformation zu gestalten und hybride Vertriebswege – analog und digital – zu erschließen. So lassen sich Synergien zwischen Einkaufserlebnis, stationärer Beratung und bequemer digitaler Bestellung nutzen. Gerade die Zentren sind von den Folgen der Pandemie besonders betroffen. Mit einer weiteren Innenstadtoffensive werden wir Pilotprojekte zur Zwischennutzung wie etwa Popup-Stores und Showrooms fördern. Mit der sogenannten Innovationsklausel in der Landesbauordnung haben wir bereits die Möglichkeit geschaffen, Räumlichkeiten schneller und einfacher einer anderen Nutzung zuzuführen. Die Möglichkeiten der Innovationsklausel wollen wir weiter.
Wir möchten KMU und damit auch den Handel bei ihren Neustart aus der Corona-Krise unterstützen. Dazu zählen für uns großzügige Stundungen bei den Corona-Hilfen sowie eine Ausweitung der Restrukturierungs- und Insolvenzberatung mit finanzieller Unterstützung für KMU. Zudem ändern sich Rahmenbedingungen und die Konsumgewohnheiten, sodass auch die Anforderungen an Innenstädte sich ändern. Wir möchten Kommunen befähigen ihre Ortskerne zu gestalten und neue Nutzungen ermöglichen, die wiederum mehr Menschen in die Innenstädte lockt. Wir stellen dafür finanzielle Mittel zur Verfügung und möchten einen Landeswettbewerb für attraktive und nachhaltige Zentren auszeichnen.
Wir denken und beleben Innenstädte neu. Dazu gehört eine Vielfalt an Maßnahmen. Entscheidende Akteure vor Ort sind die Kommunen. Nicht alle Städte und Gemeinden sind in der Lage ihrem Einzelhandel die notwendige Infrastruktur und Rahmenbedingungen zu gewährleisten. Wir wollen sie bei diesem Prozess nachhaltig unterstützen. Kommunen sollen selbst Akteur für ihre Innenstädte werden können. Sie dürfen nicht auf die Rolle als „Dienstleister“ für den Einzelhandel beschränkt und auf die Zuschauertribüne für die Entwicklung ihrer eigenen Innenstadt verbannt sein. Dafür braucht es eine Neuauflage der Städtebauförderung und des planerischen Rechtsrahmens. Wir brauchen dazu mehr Erlebnisgastronomie und Wohnen in den Städten, aber auch mehr Flexibilität bei der Umwandlung überschüssiger Einzelhandelsflächen in Wohn-, Arbeits- und Büroflächen. Auch der Handel steht in der Verantwortung, noch stärker über kreative Ansätze das Einkaufserlebnis und die Beratungsleistung in den Fokus zu stellen.
Frage 4:
Der Strukturwandel im Handel vollzieht sich immer schneller. Viele Unternehmen sind pandemiebedingt finanziell ausgezehrt und können Investitionen, etwa in Digitalisierung, nicht stemmen. Wie wollen Sie Digitalisierungsmaßnahmen des Handels und damit auch attraktive Stadtzentren unterstützen?
Bereits in den vergangenen Jahren haben wir die Digitalisierungsbemühungen des Einzelhandels vielfältig mit Projekten und Maßnahmen unterstützt. Um Händlerinnen und Händler bei der Digitalisierung zu begleiten, haben wir 2019 vier Digital-Coaches eingestellt, die Einzelhändlern dabei halfen, ihre individuelle Digitalstrategie zu entwickeln und umzusetzen. 2021 konnten wir durch die Innenstadtoffensive weitere Unterstützung sichern. Außerdem haben wir mit den Digitalisierungs-Schecks in Höhe von 2.000 Euro pro Einzelhändlerin oder Einzelhändler ein niederschwelliges und unbürokratisches Förderinstrument für den Einzelhandel auf den Weg gebracht. Diesen Kurs werden wir fortsetzen. Nordrhein-Westfalen ist auf einen starken Einzelhandel angewiesen. Er sichert gute Arbeitsplätze und trägt damit maßgeblich zur sozialen Sicherheit in unserem Land bei.
Wir werden den analogen Einzelhandel weiter dabei unterstützen, ein eigenes digitales Angebot zu schaffen; weitere Digital-Coaches sollen die jeweiligen Geschäfte passgenau und kostenlos beraten. Die Förderung von Digitalisierungsmaßnahmen im Rahmen des Förderprogramms „Digitalen und stationären Einzelhandel zusammendenken“ möchten wir fortsetzen.
Wir denken weiterhin nach dem Motto „Digitalen und stationären Einzelhandel zusammendenken“. Damit möchten wir insbesondere kleinen Einzelhändler*innen helfen, den Schritt in den digitalen Verkauf zu wagen. Als Maßnahmen zählen für uns lokale Online-Handelsplattformen, virtuelle Geschäfte,
digitale Einkaufsführer oder auch die Nutzung anonymisierter Kund*innendaten. Auch Smart-City Ansätze für einen lebendigen Einzelhandel möchten wir unterstützen, z.B. helfen wir kleinen Handelsunternehmen bei den Investitionskosten zur Erschließung neuer Absatzwege.
Wir wollen die gemeinsame Entwicklung und Nutzung kooperativer oder kommunaler Plattformmodelle – auch für den lokalen Einzelhandel – landesweit vernetzen und deren Aufbau vor Ort durch Förderprogramme des Landes unterstützen. Dazu bringen wir den Ausbau des schnellen Internets voran, um dem Handel die nötigen infrastrukturellen Rahmenbedingungen zu bieten.
Die Digitalisierung birgt für den Einzelhandel ein erhebliches Potenzial. Anstatt stationären und Online-Handel als Gegensätze zu begreifen, können sie sich vielmehr sinnvoll ergänzen. Vertrieb und Marketing wie auch digitale Dienstleistungen können die Kundenbindung erhöhen bzw. als Wegbereiter in die Geschäfte vor Ort dienen, wo die Stärken des Einzelhandels, etwa im Sinne individueller Beratung, zum Tragen kommen.
Frage 5:
Gebündelte Warenlogistik und intelligente Disposition können zu einer
wesentlichen Reduzierung der Verkehrsbelastung beitragen. Welche Konzepte haben Sie für die Innenstadt-Logistik der Zukunft, also für die letzte Meile der Belieferung der Händler, aber auch bei der Auslieferung an Kunden?
Viele Warensendungen erreichen die Kundinnen und Kunden nicht zu Hause – auch nicht trotz mehrfacher Zustellversuche. Um dieses Problem anzugehen werden wir gemeinsam mit den Logistik- und Handelsunternehmen die letzte Meile neu denken. So können wir die Wünsche und Bedarfe der betroffenen Akteurinnen und Akteure berücksichtigen.
Wir unterstützen neue Logistikkonzepte wie Micro- oder City-Hubs, die Frequenzströme erhöhen und dabei gleichzeitig den Verkehr in den Städten entlasten. Wir setzen uns für die Einrichtung eines Kompetenzzentrums Urbane Logistik ein, dass die Integration neuer städtischer Logistikkonzepte für Lieferverkehre in Forschung und Praxis miteinander verknüpft und dabei die Kommunen unterstützt nachhaltige passgenaue Konzepte umzusetzen.
Wir möchten die Innenstadt-Logistik neu denken, indem wir Logistikketten effizienter, klimafreundlicher und zeitsparender machen. Hierzu möchten wir die Chancen der Elektromobilität, Digitalisierung und Vernetzung nutzen. Zukünftig sehen wir sowohl in Großstädten, aber auch in ländlichen Kreisen, City-Hubs, die über Echtzeitinformationen die Liefersendungen des Handels bündelt. Die letzte Meile möchten wir klimaneutral organisieren. Hierbei helfen Lastenräder und Transportfahrzeuge mit alternativen Antrieben, die die Zustellung flexibler, leiser und abgasfrei machen. Auch möchten wir zukünftig mehrfache Zulieferfahrten verhindern und Haushalte an Paketboxen anschließen.
Logistik-Konzepte für „die letzte Meile“ müssen von den relevanten Akteuren vor Ort, z.B. den Kaufmannschaften, mit den Logistikern und der Kommune gemeinsam entwickelt und abgestimmt werden. Dazu braucht es landesseitige Unterstützung für die zukunftsfähige Entwicklung unserer Innenstädte auf Basis der vorhandenen Förderprogramme.
Frage 6:
Laut BVerfG-Urteil erfordert die Einschränkung des Sonn- & Feiertagsschutzes einen hinreichenden Sachgrund. Trotz Reformbemühungen bleiben hohe formale Hürden: Oft kippen Gerichte erlaubte Sonntagsöffnungen. Wie stehen Sie zu verkaufsoffenen Sonntagen & einer Überarbeitung des Ladenöffnungsgesetzes?
Wir halten verkaufsoffene Sonntage für notwendig, jedoch mit Maß und Mitte. Sie sind für lebendige Innenstädte unverzichtbar. Unsere Neuregelung in dieser Legislaturperiode hat das Thema Sonntagsschutz befriedet und weitgehend gerichtsfest gemacht. Auch weiterhin werden wir mit allen beteiligten Akteurinnen und Akteuren, insbesondere auf lokaler Ebene im Austausch sein.
Im Gegensatz zum Einzelhandel hat der Online-Handel 24 h an 7 Tagen geöffnet. Wir wollen die stationären Ladengeschäfte stärken, indem wir im Rahmen der verfassungsrechtlichen Grenzen so viele Sonntagsöffnungen wie möglich ermöglichen. Wir wollen Kommunen ermöglichen, pro Monat einen verkaufsoffenen Sonntag auszuweisen. An diesem können sie leichter Innenstadt-Veranstaltungen durchführen, Innenstädte durch ÖPNV-Sonderkapazitäten besser erreichbar machen und zusätzliche Parkflächen ausweisen.
Wir stehen bei „Sonntagsöffnungen“ klar an der Seite der Gewerkschaften und der Kirchen. Für uns sollen arbeitsfreie Sonntage die Regel sein. Die schleichende Abschaffung des sonntäglichen Ruhetags in immer mehr Bereichen hat nicht nur soziale und gesundheitliche Folgen für unsere Gesellschaft, sondern bringt auch ökologische Nachteile mit sich, wie einen erhöhten Ressourcenverbrauch, und damit weiteren mannigfaltigen Probleme, die mit unserem ungebremst wachsenden Konsum einhergehen. Wir sind zudem dafür, dass Auslieferungen von Handels-Unternehmen auch weiterhin nicht sonntags stattfinden, um Verzerrungen zu verhindern.
Alle Versuche, über eine Novellierung des Ladenöffnungsgesetzes oder der hierzu erlassenen Verordnungen zu einer Liberalisierung der Sonn- und Feiertagsöffnung zu kommen, sind an dem bestehenden Verfassungsrang des Sonn- und Feiertagsschutzes gescheitert. Versprechen, diese Frage durch erneute Änderungen des Ladenöffnungsgesetzes zu lösen, halten wir nicht für seriös. Dies ließe sich nur durch eine Verfassungsänderung realisieren. Dies lehnen wir ab. Wir treten weiterhin für eine Begrenzung der Sonntagsöffnungen ein. Verkaufsoffene Sonntage nach den pandemisch bedingten Beschränkungen für ein Ankurbeln der Wirtschaft nutzen zu wollen, ignoriert die Interessen der Beschäftigten im Einzelhandel, die in der Pandemie unter widrigen Bedingungen ihre Stellung gehalten haben. Bei den Ladenöffnungszeiten müssen Interessen von Verbraucherinnen und Verbrauchern, der Händlerinnen und Händler sowie der Beschäftigten in Einklang gebracht werden.
Frage 7:
Auf dem Land in ganz NRW bluten kleine Orte in Sachen Infrastruktur zunehmend aus (kein ÖPNV, keine Nahversorgung…). Lässt sich dieser Prozess aufhalten? Wenn ja, wie und welche Initiativen planen Sie für eine konsequente Stärkung des ländl. Raums und eine hohe Lebensqualität in allen Regionen?
Wir gehen die Steigerung der Lebensqualität im ländlichen Raum in verschiedenen Bereichen an und bauen die Infrastruktur zunehmend aus. Wir bekämpfen den Ärztemangel im ländlichen Raum mit einer Landarztquote. Wir wollen neue Arbeitsformen, bspw. mobiles Arbeiten und Co-Working Spaces, unterstützen und damit ländliche Regionen stärken. Wir werden Working-Space-Angebote für die Landesverwaltung ausbauen, gerade im ländlichen Raum. Mit unserer Zielnetzkonzeption für den Schienenpersonennahverkehr wird perspektivisch jede Kommune ab 20.000 Einwohnern eine Schienen- oder Schnellbusanbindung bekommen. Mit mehr Direktverbindungen auf nachfragestarken Strecken müssen Pendlerinnen und Pendler künftig weniger umsteigen. Mit einem Grundtakt von 15 Minuten auf allen Strecken und einer Ausweitung des Angebots an den sogenannten Tagesrandzeiten machen wir Pendlerinnen und Pendler unabhängiger vom Fahrplan.
Der ländliche Raum muss attraktiv bleiben – mit einer Infrastruktur, die eine adäquate Versorgung ermöglicht. Um den Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmern in allen Landesteilen gleiche
Zugangschancen zu ermöglichen wollen wir den Gigabitausbau bis an jede Milchkanne bis 2025 abschließen.
Wir setzen uns für eine kundenorientierte Entwicklung der Haltepunkte insbesondere in ländlicheren Regionen und eine bessere Verknüpfung mit anderen Verkehrsträgern ein. Streckenreaktivierungen werden wir hierbei prüfen. Auch durch eine flächendeckende Ausweitung von On-Demand-Systemen wollen wir die Erreichbarkeit des ländlichen Raums durch ein öffentliches Verkehrsangebot massiv verbessern. Zudem wollen wir die Rahmenbedingungen für einen schnellen Ausbau von Ladeinfrastrukturen weiter verbessern – insbesondere auch in ländlichen Regionen. Denn gerade dort ist die Individualmobilität durch das Auto oft unverzichtbar.
Um Wohnen in ländlichen Regionen ohne Pendel-Notwendigkeiten zu stärken, wollen wir die Einrichtung von Co-Working-Spaces forcieren. Für Auszubildende wollen wir das erste rein digitale Fern-Ausbildungszentrum in NRW schaffen. Der berufsschulische Teil der Ausbildung soll so ortsunabhängig absolviert werden können. Damit können für Auszubildende im ländlichen Raum lange Fahrtwege gespart werden.
Weitere Initiativen umfassen eine Stärkung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum sowie die Sicherstellung der Kulturangebote.
Wir stärken die Infrastruktur im ländlichen Raum im Sinne der gleichen Lebensverhältnisse. Landesförderungen – beispielsweise für die Innenstadtentwicklung und klimafreundliche Architektur wie z. B. Fassadenbegrünung, soll Maßnahmen für den urbanen als auch für den ländlichen Raum finanzieren. Im Rahmen der Quartiersentwicklung werden wir auch im ländlichen Raum die Nahversorgung stärken. Wir stehen für den ÖPNV- sowie Netzausbau in allen Bereichen NRWs. Weil gerade Familien im ländlichen Raum, aber auch Unternehmen und andere Einrichtungen nach wie vor auf den eigenen Wagen angewiesen sind setzen wir darüber hinaus auf die Chancen des Elektroantriebs. Insbesondere im ländlichen Raum werden wir die Gründung privatwirtschaftlicher und genossenschaftlicher
Co-Working-Spaces finanziell fördern.
Gleiche Lebensbedingungen im ganzen Land ist weiter unser Anspruch. Dazu gehört zum einen eine angemessen Finanzausstattung aller Städte und Gemeinden. Wir wollen den Kommunen über die Gemeindefinanzierung hier deutlich unter die Arme greifen. Gleichzeitig darf Infrastruktur nicht nur in Ballungsräumen ausgebaut werden. Das betrifft insbesondere auch die Bereiche Mobilfunk und Breitbandinternet. Die Angebote des öffentlichen Nahverkehrs wollen wir unter anderem durch Bedarfsverkehre ausweiten. Bei der Gesundheitsvorsorge werden wir Anreizsysteme für eine bedarfsgerechte ärztliche Versorgung einführen.
Frage 8:
Arbeitskräfte- & Nachwuchsgewinnung stellen eine branchenübergreifende Herausforderung dar, mit der auch der Handel als zweitgrößter Arbeitgeber des Landes konfrontiert ist. Wie werden Sie ihn in dieser zukunftsweisenden Frage unterstützen? Ist die Stärkung der dualen Ausbildung eine Möglichkeit?
Unser Land braucht mehr junge Menschen, die sich guten Ausbildungsberufen widmen und so einen aussichtsreichen Karriereweg einschlagen. Deshalb werden wir die duale Ausbildung stärken. Für uns sind die akademische und die berufliche Bildung gleichwertig. Wir werden die Schulabschlüsse der Sekundarstufe I stärken und auf die berufliche Ausbildung ausrichten. Dafür brauchen wir eine schulische Ausbildung mit mehr Praxisabschnitten, die eine bessere Verzahnung mit Handwerk und Industrie gewährleistet. Wir wollen, dass alle Schülerinnen und Schülern Berufsfelderkundungen und Praktika in einem Handwerks- oder Industriebetrieb machen und werden daher mit den zuständigen Kammern ein Konzept erarbeiten. Zudem werden wir das Übergangssystem Schule-Beruf mit seinem Herzstück „Kein Abschluss ohne Anschluss“ so weiterentwickeln, dass sich Jugendliche und junge Erwachsene schon in der Schule von den Vorteilen einer dualen Ausbildung überzeugen können. Ebenfalls werden wir die Ausbildungsgarantie des Bundes in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Partnern des Ausbildungskonsenses in NRW umsetzen. Wir wollen die Einrichtung von Azubi-Wohnheimen analog zu Studierendenwohnheimen.
Zur Gewinnung von dringend benötigten Fachkräften setzen wir vor allem auf die duale Ausbildung. Die Berufliche Bildung bietet hervorragende Abschlüsse, attraktive Berufe sowie sehr gute Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Wir benötigen flexiblere Ein- und Aufstiegsmöglichkeiten in der beruflichen Bildung. So wollen wir u.a. die Möglichkeiten einer Teilzeit-Ausbildung ausweiten. Wir wollen die Weiterentwicklung zu Fachkräften über Zertifizierungen sicherstellen, um Berufszugang über ausländische Abschlüsse und Studienabbruch zu ermöglichen. Perspektivisch wollen wir das Schulgeld für alle Ausbildungsberufe abschaffen. Als erstes Bundesland wollen wir ein reines digitales Fernausbildungszentrum schaffen. Um ein gesellschaftliches Umdenken hinsichtlich der Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung zu erreichen, wollen wir die Haupt-, Real- und Sekundarschulen in einer Qualitätsoffensive und einem Sonderinvestitionsprogramm stärken. Einrichtungen der berufsschulischen Bildung wollen wir zügig sanieren und erneuern.
Für uns ist jeder Ausbildungsplatz in NRW wichtig und wir kämpfen darum, sie zu erhalten und weitere Möglichkeiten zu schaffen. Wir möchten dafür Jugendlichen eine Ausbildungsgarantie aussprechen und erfolgreiche Programme wie „Kein Abschluss ohne Anschluss“ beibehalten und weiterentwickeln. Weiterhin möchten wir dem Fachkräftemangel mit einer Fachkräfte- und Qualifizierungsoffensive begegnen. Dazu zählen für uns auch die Verbesserung der Rahmenbedingungen von Ausbildungen, um diese attraktiver zu machen. Hierzu zählen z. B. die Gleichstellung von Studium und Ausbildung, mehr und bessere überbetriebliche Praxisanteile, die Weiterentwicklung von Lerninhalten oder ein günstigeres Azubi-Ticket. Auch Unternehmen profitieren davon, wenn sie ihre Fachkräfte von morgen ausbilden. Wir möchten deshalb auch hier neue Möglichkeiten bieten, z.B. durch die Förderung von Verbundausbildungen, von denen Unternehmen und Auszubildende in en entsprechenden Situationen profitieren. Zudem wollen wir prüfen, wie auch Betriebe sich untereinander unterstützen können, auszubilden.
Gute Ausbildung und die Gewinnung von Fachkräften sind für uns sehr wichtig. Wir setzen uns für eine landesweite Einführung der umlagefinanzierten Ausbildungsplatzgarantie ein, die allen Jugendlichen einen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht. Schulabgänge ohne Abschluss gilt es zu reduzieren. Dafür wollen wir das Programm „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ausbauen, auch um die duale Ausbildung zu stärken. Wir müssen ein Programm „Gute Berufsschule 2030“ auflegen, um die Berufskollegs schnellstmöglich zu sanieren und zu modernisieren und um dem Lehrkräftemangel an Berufsschulen entgegenzuwirken. Wir müssen auf eine Gleichstellung von Dualer Berufsausbildung und Studium hinarbeiten und den digitalen Wandel der Wirtschaft gestalten. Die Transformation bei Digitalisierung und Klimaneutralität gelingt nur mit ausreichend Fachkräften. Neben Weiterbildungs- und Qualifizierungsangeboten müssen dabei auch neue bzw. besonders benötigte Ausbildungsberufe gefördert werden.